Der Gemeinschaftsgarten am Hohlenstein
ein Beitrag von Oliver Karolius
Die Tage werden wieder länger und die ersten Schmetterlinge sausen und taumeln wieder über die Wiese. Ich laufe vom Parkplatz in Richtung unseres Vereinsplatzes. Ich spüre wie sich meine Stimmung verändert. Eine gewisse Ruhe und Entspannung kehren in mir ein und ich freu mich schon auf den Blick von der Jurte runter in die Weite. Bin mal gespannt, ob das Bergpanorama, da, weit hinter Tettnang, heute zu sehen ist. Endlich angekommen, sehe ich mich um. Überall entdecke ich noch kleine Aufgaben, die noch anstehen, wo noch gewerkelt werden kann. Oft sehe ich dann, dass schon andere fleißige Helfer*innen am Platz sind, meist Eugen oder Holger, die sich schon auf das ein oder andere Projekt gestürzt haben. Wie oft haben wir davon gesprochen, was noch alles entstehen kann an diesem Platz und wie viel schon entstanden ist. Ein richtig kleines Mini-Öko-Dörfchen inmitten einer herrlichen Landschaft, hügelig mit viel Wald, Wiesen, einem stark abschüssigen Gelände und einigen kleineren und größeren Teichen. Die Jurte hat nach einem Jahr schon viele Veranstaltungen gesehen und wird regelmäßig genutzt.
Ich laufe über die Terrassen, die wir extra für den Nutzgarten haben anlegen lassen und lasse meinen Blick umherschweifen. Die Sonne scheint und ich entdecke Wildbienen, die über dem offenen Boden der Böschung umherfliegen, als ob sie etwas suchen. In meiner Erinnerung blitzt der Besuch bei den Hubers, einem älteren Ehepaar, letztes Jahr auf, wo ich das erste Mal die Paarung der roten Mauerbienen beobachtet habe. Die Männchen schlüpfen zuerst und warten dann sehnsüchtigst auf die Weibchen. Ich weiß zwar nicht genau, welche Bienen jetzt hier über der Böschung fliegen, aber ich erkenne dieselbe akribische Suche, vermutlich nach ihrer Angebeteten. Ich glaube mich zu erinnern, dass fast 80% der Wildbienen auf offene, am besten lehmig-sandige Boden angewiesen sind, und freue mich darüber, dass wir ihnen einiges zu bieten haben und dieses Jahr noch das ein oder andere Sandarium bauen wollen. Nisthilfen sind gut, Sandarien aber noch viel besser, hat mir Markus Gastl, der bekannte Drei-Zonen Garten Experte verraten, als er bei uns hier ein Seminar im letzten Jahr gegeben hat.
Mein Blick schweift den Hang hinunter über die Wiese und ich entdecke einen Zitronenfalter. Im ersten Moment wundere ich mich, wie er schon so fröhlich im frühen März herumflattert. Ich entdecke fast noch keine Blüten, nur die Weiden und Frühblüher sind schon präsent, ein paar offene Schwarzdornblüten verkünden den Frühling. Wo findet der wohl jetzt schon Nahrung? Ich meine gelesen zu haben, dass er einer der wenigen Schmetterlinge ist, die bei uns überwintern, wie Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs wohl auch, als Imago, also erwachsener Schmetterling. Er ernährt sich von Wildstaudenblüten aller Art, doch seine Raupen sind da nicht so breit aufgestellt und das ist es auch, was mich so wundert. Wo finden sich denn noch Faulbaum und Kreuzdorn (beides Rhamnus Arten) in unserer Landschaft, die einzigen Futterpflanzen seiner Raupenform? Spontan wüsste ich nicht, wie diese Pflanzen aussehen. Wie gut, dass wir bei der letzten größeren Gartenaktion zwei Hecken gepflanzt haben.
Eine Hecke mit Vogelnutzpflanzen, wie Weißdorn, Blasenstrauch, Rosmarienweide, Traubenkirsche, Kornelkirsche und zum Glück auch mit einem Faulbaum. Die andere Hecke komplett mit 20 verschiedenen Wildrosenformen, die alle offene Blüten haben, so, dass sie auch für die Insekten interessant werden. Nur offene Blüten, meist einheimischer Arten, dienen unseren Insekten als Nahrungspflanzen. Forsythien, meist aus Ostasien kommend, sind da out, denn kein Insekt kann sich davon ernähren. Klar, Generalisten fahren auch auf nicht-einheimischen Flieder, Rhododendron oder chinesischem Bienenbaum ab, doch, wie der Zitronenfalter schon andeutet, die einheimische Fauna ist meist auch auf sogenannte endemische Arten angewiesen… für ihre Fortpflanzung oder auch für ihre Ernährung. Wenn ich mich da an den letzten Sommer zurückerinnere fallen mir gleich ein paar Arten ein, die ich bei einem Rundgang mit einem der Mädchen aus unserer Wildniscampgruppe entdecken konnte. Da war so ein lustiger Käfer, der ganz und gar mit Haaren bedeckt war, ein Pinselkäfer fand ich später raus, eine bedrohte Art. Und da waren Distelfalter, Admirale und Schachbretter - Schmetterlinge die entweder den Winter in wärmeren Gegenden verbringen oder wie der Schachbrett als Raupe. Auch den Gemeinen Bläuling könnten wir entdecken, ein kleiner blauer Schmetterling, der sich, seinem Namen alle Ehre machend, an den Schmetterlingsblütlern gütig tat. Wir trafen ihn auf einer der hier zahlreich vorkommenden Hauhecheln an. Lustiger Name, doch eine, finde ich, hübsche, flachwüchsige, rosa blühende Pflanze.
Ach wie freu ich mich schon wieder auf den Sommer, mit all den Gästen, die dann wieder zu Besuch kommen. Einer meiner Lieblingsgäste aus Italien ist das Taubenschwänzchen. Ein Schmetterling, der wie ein kleiner Kolibri aussieht, so fliegt und das viele Labkraut auf der Wiese zu schätzen weiß. Doch jetzt ist ja erstmal Frühling und ich möchte noch die frisch gepflanzten Hecken wässern. Beim Wasser schöpfen im Teich entdecke ich gut getarnte kleine heuschreckengroße Tierchen unter Wasser, auf die ich mir anfangs keinen Reim machen kann. Sie sehen irgendwie auch sehr räuberisch aus, doch können ja nur ein Jahr alt sein, halt so lange gibt es ja erst den Teich. Hmmm… was könnten das wohl für kleine Insektenlarven sein? Vielleicht sind es ja die Nachkommen von Libellen, denke ich dann, blaugrüne Mosaikjunfern hatte ich ja letztes Jahr bewundert, wie sie sich hier ihre territorialen Lufttänze geliefert haben. Na ob das mal gut ist, denke ich, denn ich mag zwar die Libellen sehr, doch entdecke ich auch frischen Laich im Teich. Vier große Ballen vom Grasfrosch meine ich und dann noch ein paar Schnüre Leich von der Erdkröte vielleicht, die ich letztes Jahr in dem Wäldchen hinter der Jurte angetroffen habe. Libellenlarven lieben ja die kleinen Kaulquappen und räuberisch wie sie sind, können sie die auch ganz schön dezimieren. Wenn das nur die Grasfrösche und die Erdkröte beträfe, dann wäre ich wahrscheinlich nicht so nervös mit meiner Entdeckung, denn obwohl alle Amphibien auf dem absteigenden evolutionären Ast sind, gibt es ja noch genug von diesen beiden Arten. Doch seit letztem Jahr sind da ja auch noch unsere Garten-Maskottchen: die Gelbbauchunken.
Weder Frosch noch Kröte bilden sie so eine Art Zwischending, sehen also fast wie eine Mischung aus beiden Familien aus, sind aber Unken. Die gibt es die schon viel länger in dieser Form, richtige Urviecher, die schon 200 Millionen Jahre auf der Erde leben und bis zu 23 Jahre alt werden können und schaurig schöne Rufe haben. Deren Laich kann ich noch nicht entdecken, einzelne Laichklümpchen, sehr wenige im Vergleich zum Grasfrosch, der eher auf Masse setzt. Doch wir haben ja auch erst März, die Unken fangen ja frühestens im Mai mit dem Laichen an, wenn es schon richtig warm ist. Die setzen also nicht auf Masse sondern die bis zu 30 Kaulquappen wachsen dann in frisch entstandenen Ruderalgewässern in schon warmem Wasser schnell heran. Ich werde wohl diesen Herbst das Wasser mal ganz ablassen müssen, damit nächstes Jahr nicht noch mehr Libellenlarven sich an den wenigen Kaulquappen gütig tun. Obwohl, die Larven brauchen ja bis zu drei Jahren, bevor sie als Libelle aus dem Teich empor in die Lüfte steigen. Da werde ich wohl genau beobachten müssen, wie viele Kaulquappen dieses Jahr überleben werden und vielleicht doch noch mit dem Wasser ablassen warten??! Ja, denke ich, das ist das Dilemma im Naturerlebnisgarten. Wenn ich einen artenreichen Garten möchte, dann greife ich als Mensch immer wieder regulierend ein. In diesem Jahr gebe ich dieser Art mehr Raum im nächsten Jahr vielleicht der anderen. Unkontrolliert verliert so ein Garten schnell einige Arten und es kommt zum Überhang weniger aber sehr robuster Arten. Doch hier am Hohlenstein haben wir ja den Wunsch für möglichst viele Arten ein Zuhause und einen gedeckten Tisch zu bieten. Keine Art wird vernichtet, sondern nur so weit zurückgedrängt, dass möglichst viele Spieler eine Chance bekommen. Das ist eine spannende und lehrreiche Aufgabe und Herausforderung, die viel Aufmerksamkeit und Beobachtungszeit braucht.
Der Gemeinschaftsgarten Hohlenstein ist offen für alle Menschen, die sich für die Natur und das Gärtnern begeistern können. Es gibt immer viel zu tun und angesichts der derzeitigen Krise, ist es auch an der Zeit, wieder mehr an Selbstversorgung zu denken. Daher steht dieses Jahr auch die Entwicklung des Nutzgartenteils im Vordergrund, natürlich neben der Pflege und Weiterentwicklung des Naturerlebnisgartenteils. Als Drei-Zonen Permakulturgarten bietet der Platz nicht nur für viele Arten eine Nische, sondern auch für viele Arten von Menschen. Wenn du gerade ein Kribbeln im Bauch und den Händen spürst, dann bist du herzlich willkommen uns mal alle kennenzulernen. Wir beißen nicht und gehören wohl doch eher alle zur friedliebenden menschlichen Art und wissen, dass auch du ein Teil davon bist.
Bis bald :-)
Mehr Informationen zu aktuellen Veranstaltungen im Gemeinschaftsgarten findest Du hier...
Jede*r, wer Lust hat, ist herzlich Willkommen bei unserem "Fridays for Future" - Freitags im Gemeinschaftsgarten-Tagen ab 14.30 Uhr bis 19 Uhr. Komm einfach vorbei!
Das Projekt ist Teil des Vorhabens "Zukunftsgestaltende Klimakultur am Bodensee"
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